Nach meiner Premiere im Jahr 2019 habe ich vom 14. bis 19. August 2020 als „begeisterter Wiederholungstäter“ am Shiatsu-Sommercamp im Allgäu teilgenommen. Diese fünf intensiven Übungstage sind Bestandteil meiner Ausbildung zum Shiatsu Praktiker. Sie wurden durch einen breiten Methodenmix aus Theorie, Praxis und persönlichem Austausch getragen und haben mich durch ein tieferes Verständnis sowie neuen Shiatsu-Erfahrungsschatz bereichert.
Der Veranstaltungsort – das Gruppengästehaus Adlerhorst in Schwangau – wird von Outward Bound getragen, einem anerkannten Träger der Freien Jugendhilfe, mit einem breiten Spektrum an erlebnispädagogischen Kursen und Outdoor-Seminaren. Dieses naturverbundene Umfeld ist ein überaus inspirierender Ort für den Shiatsu Austausch. Zudem ist eine Unterkunft wahlweise in einer der Wohngruppen, eigenem Wohnwagen oder Zelt möglich, um an den Sonnenuntergängen noch näher dran zu sein.
Das Sommercamp wird traditionell vom Europäischen Shiatsu Institut (ESI) München organisiert. Im ESI sind Shiatsu Schulen aus mehreren europäischen Ländern zusammengeschlossen, die ein gemeinsames Ausbildungscurriculum entwickelt haben, welches in allen nationalen Dachverbänden anerkannt ist.
Neben der Vermittlung zentraler Inhalte in sieben Kursstufen, sind Übungstage – wie dieses Sommercamp – wichtiger Bestandteil der Ausbildung zum Shiatsu Praktiker, um das Gelernte zu vertiefen. Auf dem Sommercamp wird der Gemeinschaftsgedanke des ESI durch Teilnehmer*innen aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands und Österreichs sowie Lehrer*innen dreier unterschiedlicher Schulen unterstrichen: Brigitte Ladwig (Münster), Rittirong Konggann (Coburg) und Klaus Metzner (München).
Am ersten Tag startet das Sommercamp mit dem gemeinsamen Abendessen – für mich ein Wiedersehen mit vielen Bekannten: so entsteht wieder schnell eine vertraute Atmosphäre.
Danach gibt es – je nach Ausbildungsstufe – in einer von drei Gruppen einen ersten Austausch. Gemäß dem ESI Curriculum geht es in den ersten drei Stufen um das Kennenlernen der traditionellen Meridianverläufe und die verschiedenen Berührungstechniken. Stufe vier und fünf haben das erweiterte Meridiansystem von Shizuto Masunaga und die Verbindungen zur TCM zum Inhalt.
Ab Stufe sechs steht dann die Wirkung einer Shiatsu Sitzung im Vordergrund. Die Shiatsu Lernenden der ersten drei Ausbildungsstufen haben sich mit Rittirong getroffen, Stufe vier und fünf mit Klaus und alle ab Stufe sechs mit Brigitte.
Als Lernender der Stufe 6 habe ich die Übungstage mit 10 Teilnehmer*innen bei Brigitte Ladwig, die ich aus unserer gemeinsamen Heimatstadt Münster und diversen Ausbildungseinheiten bereits gut kenne, erlebt. Die gemeinsamen Shiatsu Übungsstunden waren eine große Bereicherung für mein eigenes Shiatsu. Brigitte ist in ihrer souveränen Art auf die individuellen Wünsche aus unserer Gruppe eingegangen und wir hatten reichlich Gelegenheiten zum Üben und Ausprobieren. In der offenen und achtsamen Atmosphäre konnten wir uns gute Rückmeldungen geben, wenn wir mit den verschiedenen Arten der Berührung experimentiert und unsere eigene Haltung minimal verändert haben. Der Austausch mit Gleichgesinnten hat für mich zu einem tieferen Verständnis der harmonisierenden Wirkung von Shiatsu auf die energetischen Zustände im Körper geführt.
Zur morgendlichen Einstimmung haben wir uns jeweils mit allen Teilnehmer*innen zunächst auf der Wiese vor dem Adlerhorst getroffen. Rittirong hat mit seiner Erfahrung in KungFu und QiGong einige Körperübungen angeleitet, Klaus hat mit seiner Gitarre ein gemeinsames Lied mit viel Bewegung begleitet und ich durfte ein paar Lachyoga Übungen beisteuern. Vormittags haben wir uns dann drei Stunden und nachmittags nochmal zwei Stunden in unseren Gruppen getroffen. So war außerdem Zeit, das wunderschöne Allgäu beim Wandern, Baden, Chillen oder Shiatsu Üben in freier Natur zu genießen.
Klaus hatte als Organisator nicht nur den Lehrplan, sondern auch den Wetterbericht stets im Blick. So haben wir bei feinstem Ausflugswetter mal spontan die Nachmittagsrunde auf den Abend verschoben. Der Abend bot dann ein Treffen aller Teilnehmer*innen im großen Giebelsaal. Rittirong hat durch ein interessantes Losverfahren Anfänger und Fortgeschrittene paarweise zusammengebracht. In zweimal 45 Minuten Zeit konnten wir uns jeweils über zwei vollständige Shiatsu Sitzungen austauschen.
Am vorletzten Abend haben Brigitte und Klaus zu einem Gespräch zur Geschichte von Shiatsu in Europa eingeladen. Beide haben als Schüler von Ohashi und Mitbegründer des ESI großen Anteil an dem Shiatsu, wie wir es heute an den ESI-Schulen lernen. Gewürzt wurde das Zwiegespräch mit Sequenzen aus dem Film „The Human Potential“ von und mit Pauline Sasaki, die den Shiatsu Gedanken von Ohashi in Amerika weiterentwickelt hat.
Für den Abschlussabend ist Klaus unter den Shiatsu Menschen auf Talentsuche gegangen und hat ein buntes Potpourri an verschiedenen Darbietungen zusammengestellt. Das Programm beinhaltete gemeinsames Singen, Gesangs- und Gedichtvortrag, Schauspiel, Pantomime und ein Vortrag auf dem Instrument „Hang“ (zwei miteinander verklebte Halbkugelsegmente aus Stahlblech), das ein Teilnehmer erst zwei Tage zuvor für sich entdeckt hatte. Die Freude am improvisierten Miteinander war intensiv und möglich durch das gewachsene Gemeinschaftsgefühl der Camptage.
Am letzten Tag hieß es nach dem Mittagessen Abschied nehmen von den lieb gewonnenen Menschen. Bei strahlendem Sonnenschein haben wir die letzte Mahlzeit auf der Terrasse des Adlerhorstes genossen, mit wunderschönem Blick in die Ebene auf Füssen und den Forggensee. Ein großes Dankeschön an die erfahrenen Shiatsu Praktiker, die uns in den Tagen begleitet haben, an das Team vom Adlerhorst, das uns gut ernährt hat und all die Shiatsu Menschen, die für den offenen Austausch da waren. Gerne bin ich im kommenden Jahr wieder dabei